Gegen das Vergessen: Die Stelenaktion der Anne-Frank-Gesamtschule
Die sogenannte Stelenaktion am 9. November zum Gedenken an die Gräueltaten der Nationalsozialisten hat an der Anne-Frank-Gesamtschule eine lange Tradition. Die jeweils 10. Jahrgänge richten die Veranstaltung aus. Was der 10. Jahrgang dieses Jahr präsentierte, war besonders beeindruckend, denn durch eine glückliche Fügung ergab es sich, dass die Radiojournalistin und Autorin Angela Krumpen auf der Suche nach einem Ort in Düren für ihre Lesung „Spiel mir das Lied vom Leben“ war. Und so fand in diesem Jahr eben diese Lesung am Abend des 9. Novembers in der Mensa der Anne-Frank-Gesamtschule statt.
Mit dabei hatte die Autorin nicht nur Auszüge aus ihrem Buch, sondern auch Filmausschnitte aus einer Fernsehdokumentation, die über einen Beamer auf einer Leinwand gezeigt wurden, und den Violinisten Paul Rosner, der mehrere jüdische und jiddische Stücke spielte.
Das Buch, aus dem Angela Krumpen vorlas, erzählt die Geschichte von Judith Stapf, einer zum Beginn der Handlung 11-jährigen Ausnahmeviolinistin, und Jerzy Gross, einem der letzten Überlebenden von „Schindlers Liste“, also den Juden, die auf der Liste des Unternehmers Oskar Schindler standen und die durch dessen Bemühungen vor dem Tod in den Konzentrationslagern der Nazis gerettet wurden.
Judith sucht zunächst im Internet Informationen zu ihrem Lieblingsgeiger Itzhak Perlman und findet dabei auch etwas über dessen Familie, den Holocaust und Perlmans Verbindung zum Film „Schindlers Liste“ heraus. Da sie mehr dazu wissen will und es ihr nicht reicht, nur darüber zu lesen, stellt ihre Nachbarin, die Autorin Angela Krumpen, den Kontakt zu Jerzy her.
Das junge Mädchen und den alten Mann verbindet vor allem die Liebe zur Musik und zum Geigespielen. Jerzy erzählt Judith von seinen Erlebnissen in den verschiedenen Lagern in Polen. Es wird deutlich, dass es nicht nur Jerzys Mut, sondern vor allem auch seine unerschütterliche Liebe zur Musik war, die ihn das Grauen in den Lagern hat überstehen lassen und ihm letztendlich das Leben rettete.
Judiths Wissenshunger bringt Jerzy schließlich dazu, mit ihr und einem Fernsehteam nach Polen zu reisen und die Orte seines Leidens noch einmal aufzusuchen.
Die Autorin, die mit viel Empathie und sehr viel Gefühl aus ihrem Buch vorlas, hatte Textstellen gewählt, die das Publikum in der Mensa ganz nah an den Jungen Jerzy heranbrachten. Die Zuhörerinnen und Zuhörer erfuhren, wie Jerzy der Pfleger des Schäferhundes Rex wurde, der dem SS-Hauptscharführer Franz Müller gehörte, und wie ihm diese Tätigkeit mehr als einmal das Leben rettete.
In den gezeigten Filmausschnitten erzählt Jerzy unter anderem, während er vor dem ehemaligen Haus des Lagerkommandanten Amon Göth in Płaszów steht, wie dieser auf dem Balkon stand und zum Zeitvertreib mit dem Gewehr auf die Lagerinsassen ansetze.
Das Publikum war während des gesamten Abends merklich still und andächtig und wagte es angesichts der bewegenden Geschichte selbst bei den Violinenstücken kaum zu klatschen. Nach dem Ende der Lesung riefen die Schülerinnen und Schüler des 10. Jahrgangs noch dazu auf, unter dem Motto „Gegen das Vergessen“ kleine Zettel mit den eigenen Gedanken und Eindrücken zu beschriften und auf Bilderrahmen an der Stele auf dem Schulhof zu kleben. Beendet wurde der Abend mit einer Schweigeminute rund um die Stele.
Text und Fotos: K. Brockmann